Ausgabe 23/2020
Thema der Woche vom 05.06.2020
BFH, Urt. v. 14.01.2020 - VIII R 4/17

Keine offenbare Unrichtigkeit bei funktionierendem Risikomanagementsystem

Verarbeitet das Finanzamt vom Steuerpflichtigen ordnungsgemäß erklärte Einkünfte aufgrund eines Versehens nicht weiter, wird üblicherweise eine offenbare Unrichtigkeit nach § 129 Satz 1 AO angenommen. Auch bereits bestandskräftige Steuerbescheide können so noch zuungunsten des Steuerpflichtigen geändert werden. Wie eine aktuelle Entscheidung des BFH veranschaulicht, bleibt das Finanzamt ungeachtet des Einsatzes eines Risikomanagementsystems gem. § 88 Abs. 1 AO allerdings zur Ermittlung des Sachverhalts und der im Einzelfall bedeutsamen Umstände verpflichtet. Schlägt das Risikomanagementsystem nämlich Alarm und wird dies vom zuständigen Sachbearbeiter nicht beachtet, ist § 129 Satz 1 AO möglicherweise nicht anwendbar und der fehlerhafte Bescheid kann insoweit auch nicht mehr änderbar sein.

BFH, Urt. v. 14.01.2020 - VIII R 4/17

Rechtlicher Rahmen

  • Die "offenbare Unrichtigkeit" nach § 129 Satz 1 AO ist ein Oberbegriff für ein mechanisches Versehen des Finanzamts im Rahmen der Veranlagungsarbeiten. Hierunter fallen etwa Schreib- und Tippfehler sowie Rechenfehler etc. Alles, was mit einer rechtlichen Würdigung des Sachverhalts zusammenhängt, kann jedoch keine offenbare Unrichtigkeit sein. Dies gilt auch für Fehler des Finanzamts bei der Sachverhaltsermittlung.