Details ausblenden
Verfahrensrecht Aktuell vom 29.03.2023

Verfahrensrechtliche Möglichkeiten zur Korrektur des Zinslaufs in einer Zinsberechnung

Berechnungsfehler, die den Zinslauf betreffen, können nicht über die Änderungsvorschrift des § 233a Abs. 5 Satz 1 AO, sondern nur auf der Grundlage der gem. § 239 Abs. 1 Satz 1 AO auf Zinsfestsetzungen anwendbaren Regelungen in §§ 129, 172 ff. AO korrigiert werden. Die Entscheidung über das Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses und die Anwendung des § 233a Abs. 2a Satz 1 AO bei der Zinsberechnung ist ohne Bindung an die Einkommensteuerveranlagung zu treffen (zutreffend BMF-Schreiben v. 15.08.2014, BStBl I 2014, 1174, unter 2.b). BFH, Urt. v. 13.12.2022 - VIII R 16/19 Streitig war, ob Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer der Streitjahre 2007 und 2008, die auf höheren Steuerfestsetzungen infolge der Rückgängigmachung des Betriebsausgabenabzugs für in Anspruch genommene Investitionsabzugsbeträge beruhen, mit einem Zinslauf gem. § 233a Abs. 2a AO zu berechnen sind und ob die Kläger eine Änderung der ergangenen Zinsfestsetzungen beanspruchen konnten. Das Finanzamt [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 22.03.2023

Beginn und Ende der Geschäftsführerhaftung

Werden die Namen der Geschäftsführer einer GmbH nicht im Gesellschaftsvertrag genannt, kann der die Bestellung oder Abberufung von Geschäftsführern betreffende Beschluss formlos ergehen. Ein Gesellschafterbeschluss, in dem der Anstellungsvertrag des bisherigen Geschäftsführers bis zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt befristet und zugleich die Bestellung zweier neuer Geschäftsführer mit Wirkung bis zu diesem bzw. auf diesen Zeitpunkt geregelt wird, kann ungeachtet der fehlenden rechtlichen Differenzierung zwischen Anstellungsvertrag und Organstellung als terminierte Abberufung des bisherigen Geschäftsführers ausgelegt werden. FG Düsseldorf, Urt. v. 18.11.2022 - 3 K 590/21 H, vorl. n. rkr. Der Kläger war alleiniger Geschäftsführer der B-GmbH, an der auch E beteiligt war. Sein Anstellungsvertrag war bis 30.06.2019 befristet. Am 15.04.2019 verfassten der Kläger, E und A (Geschäftsführer der C-GmbH) einen "Letter of Intent", dass die C-GmbH beabsichtige, die [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 22.03.2023

Keine Haftung des ehemaligen Geschäftsführers einer GmbH für deren Umsatzsteuerrückstände

Nach § 191 Abs. 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (vgl. § 68 AO). Die Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners ist zweigliedrig zu prüfen. Zunächst muss geprüft werden, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftungsvorschrift erfüllt sind. Daran schließt sich die gem. § 191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung des Finanzamts an, ob und wen es als Haftenden in Anspruch nehmen will. FG Münster, Urt. v. 19.12.2022 - 4 K 1158/20 L, Rev. zugelassen Der Kläger hatte als Geschäftsführer einer GmbH deren finanzielle Schwierigkeiten bewusst verschwiegen. Daher wurde er mehrfach wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung verurteilt. Das Gewerbe der GmbH wurde zum 31.10.2018 abgemeldet. Das Finanzamt erließ - ohne positive Kenntnis von den strafrechtlichen Verurteilungen zu haben - gegenüber dem Kläger als Geschäftsführer unter dem 12.06.2019 einen Haftungsbescheid [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 22.03.2023

Automatischer Informationsaustausch über Finanzkonten in Steuersachen

Nach den Vorgaben des FKAustG werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zum 30.09.2023 zwischen dem BZSt und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staats i.S.d. § 1 Abs. 1 FKAustG automatisch ausgetauscht (§ 27 Abs. 1 FKAustG). Dem BZSt sind hierfür von den meldenden Finanzinstituten die Finanzkontendaten zu den meldepflichtigen Konten nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch im Wege der Datenfernübertragung zum 31.07.2023 zu übermitteln (§ 27 Abs. 2 FKAustG). Mit diesem Schreiben werden die Staaten i.S.d. § 1 Abs. 1 FKAustG bekanntgegeben, mit denen voraussichtlich der automatische Datenaustausch zum 30.09.2023 erfolgen wird und für die die meldenden Finanzinstitute dem BZSt zum 31.07.2023 Finanzkontendaten zu übermitteln haben werden (vorläufige FKAustG-Staatenaustauschliste 2023). Im Rahmen eines weiteren BMF-Schreibens erfolgt die Bekanntmachung einer finalen FKAustG-Staatenaustauschliste 2023 bis voraussichtlich Ende Juni 2023. Die [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 15.03.2023

Aufhebung eines FG-Urteils gegen den falschen Beklagten

Ein nach einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel gegen den falschen Beklagten ergangenes Urteil des FG ist auf die Revision des falschen Beklagten hin aufzuheben. Der Rechtsstreit ist in einem solchen Fall an das FG zurückzuverweisen, wenn der richtige Beklagte selbst nicht ebenfalls Revision eingelegt und der Prozessführung des falschen Beklagten im Revisionsverfahren auch nicht zugestimmt hat. BFH, Urt. v. 13.12.2022 - VIII R 33/20 Streitgegenstand war ein Abrechnungsbescheid über nacherhobene Kapitalertragsteuer, den die Landesfinanzkasse (LFK) erlassen hatte. Gegen das FG-Urteil erhob die LFK Revision. Einen Verfahrensmangel sah die LFK insbesondere darin, dass das FG das Urteil gegen sie als die falsche Beklagte erlassen habe. Gemäß § 2 FAZVO (rheinland-pfälzische Landesverordnung über Zuständigkeiten der Finanzämter) in der Fassung vom 24.08.2018 sei die Zuständigkeit für die Erteilung von Abrechnungsbescheiden i.S.d. § 218 Abs. 2 AO auf die Finanzämter [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 15.03.2023

Erlass von Nachzahlungszinsen

Nachzahlungszinsen sind wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen, soweit sie auf einen Zeitraum entfallen, für den nach einem BMF-Schreiben zu den Auswirkungen des Corona-Virus ein Anspruch auf zinsfreie Stundung der Steuernachzahlung bestanden hat. FG Münster, Urt. v. 26.10.2022 - 13 K 1920/21, Rev. eingelegt (Az. beim BFH: XI R 28/22) Am 13.05.2020 war ein Körperschaftsteuerbescheid für 2018 gegenüber dem Kläger erlassen worden. Im Bescheid waren Nachzahlungszinsen für April 2020 festgesetzt worden. Der Kläger beantragte eine zinsfreie Stundung der Zahlungsansprüche, da der Geschäftsbetrieb erheblich eingeschränkt war. Zur Begründung verwies er auf das BMF-Schreiben vom 19.03.2020 - IV A 3 - S 0336/19/10007 :002 (BStBl I 2020, 262), das zu steuerlichen Maßnahmen zur Berücksichtigung der Auswirkungen des Corona-Virus ergangen war. Darüber hinaus wurde ein Erlass der Nachzahlungszinsen wegen sachlicher Unbilligkeit beantragt. Die Veranlagung 2018 wurde erst später [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 08.03.2023

Beitrittsaufforderung: BMF-Richtsätze als geeignete Schätzungsgrundlage

Das BMF wird aufgefordert, dem Revisionsverfahren beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und - wenn ja - unter welchen Voraussetzungen ein äußerer Betriebsvergleich in Gestalt einer Schätzung anhand der Richtsätze der amtlichen Richtsatzsammlung des BMF zulässig ist. BFH, Beschl. v. 14.12.2022 - X R 19/21 Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen durch einen äußeren Betriebsvergleich anhand der Richtsätze, die der amtlichen Richtsatzsammlung des BMF zu entnehmen sind, bislang als grundsätzlich "anerkannte Schätzungsmethode" bewertet. Durch die Rechtsprechung ist zudem geklärt, dass Schätzungsgrundlagen in einem Streitfall von der Finanzbehörde so dargelegt werden müssen, dass ihre Nachprüfung und insbesondere eine Schlüssigkeitsprüfung des zahlenmäßigen Ergebnisses der Schätzung möglich ist. Hierzu müssen sowohl die Kalkulationsgrundlage - und damit auch die spezifischen Daten, auf denen die Schätzung [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 01.03.2023

Postlaufzeit und Wiedereinsetzung

NV: Der Absender darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Briefsendung den Empfänger spätestens am zweiten Werktag nach dem Einwurf in einen Briefkasten erreicht, wenn der Briefkasten nach dem Einwurf noch am selben Tag geleert wird. BFH, Urt. v. 27.07.2022 - II R 30/21, NV Verzögerungen bei der Briefbeförderung oder -zustellung, die der Rechtsmittelführer nicht zu vertreten hat und auf die er auch keinen Einfluss besitzt, dürfen nicht als dessen Verschulden gewertet werden. Er darf darauf vertrauen, dass die von der Deutschen Post AG nach ihren organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen für den Normalfall festgelegten Postlaufzeiten eingehalten werden. In der Verantwortung des Rechtsmittelführers liegt es nur, das zur Beförderung bestimmte Schriftstück den postalischen Bestimmungen entsprechend und so rechtzeitig zur Post zu geben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG bei regelmäßigem Dienstablauf den [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 01.03.2023

Keine Zustellfiktion bei zustellungsfreien Tagen

Für den Beginn der Frist von drei Tagen nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO kommt es auf die Aufgabe des Verwaltungsakts zur Post und nicht auf das aufgedruckte Datum des Bescheids an. Post i.S.d. § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO sind grundsätzlich auch private Postdienstleistungsunternehmen. Die Zugangsvermutung gem. § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO entfällt jedoch, wenn das Finanzamt den Bescheid durch einen privaten Postdienstleister versendet, dieser Postdienstleister generell nicht an sechs, sondern nur an fünf Tagen pro Woche zustellt, wenn deswegen innerhalb der Dreitagesfrist an einem Werktag generell keine Postzustellung an der Wohnung des Steuerpflichtigen durchgeführt worden ist, und wenn der Steuerpflichtige glaubhaft darlegt, die Zustellung eines an einem Freitag vom Finanzamt dem privaten Postdienstleister übergebenen Bescheids sei bei ihm erst am nächsten Dienstag erfolgt. FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.08.2022 - 7 K 7045/20, Rev. eingelegt (Az. beim BFH: VI R 18/22) Das Finanzamt [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 22.02.2023

Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen

Durch das Gesetz vom 20.12.2022, BGBl. I 2022, 2730, wurde § 138f Abs. 4 Satz 1 AO an die Vorgabe der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22.03.2021 zur Änderung der EU-Amtshilferichtlinie angepasst. Die Rdnr. 248 des BMF-Schreibens vom 29.03.2021 (BStBl I 2021, 582) zur Anwendung der Vorschriften zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen wird durch dieses BMF-Schreiben an die geänderte gesetzliche Regelung angepasst. Sie lautet wie folgt: "Werden auch die individuellen Angaben des Nutzers der grenzüberschreitenden Steuergestaltung durch den Intermediär gemeldet, hat der mitteilende Intermediär den Nutzer darüber zu informieren, welche ihn betreffenden Angaben der Intermediär an das BZSt übermitteln wird (vgl. § 138f Abs. 4 Satz 1 AO)." BMF-Schreiben v. 23.01.2023 - V A 3 - S 0304/19/10006 :013/ IV B 1 - S 1317/19/10058 [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 22.02.2023

Feststellung der Einkünfte inländischer Gesellschafter von Personengesellschaften

Bei Gewerbebetrieben ist gem. § 18 Abs. 1 Nr. 2 AO das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung des Betriebs befindet. Befindet sich die Geschäftsleitung des Betriebs nicht im Inland, ist das Finanzamt zuständig, in dessen Bezirk sich eine Betriebsstätte befindet. Bei mehreren Betriebsstätten ist die wirtschaftlich bedeutendste entscheidend. Befindet sich auch keine Betriebsstätte im Inland, so ist gem. § 18 Abs. 2 AO jedes Finanzamt örtlich zuständig, das für die Ertragsbesteuerung eines der Beteiligten zuständig ist. Insofern besteht eine mehrfache örtliche Zuständigkeit (§ 25 AO), wobei die Regelungen im AEAO zu § 18, Nr. 6 Buchst. a bis d anzuwenden sind. OFD Karlsruhe, Vfg. v. 18.03.2022 - S [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 15.02.2023

Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen des Kontoinhabers im Fall einer Kontoleihe

Gegen die Höhe des Säumniszuschlags nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO bestehen auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Erteilt der Kontoinhaber einem Dritten, z.B. seinem Ehepartner, Kontovollmacht und lässt er es ohne Kontrollmaßnahmen zu, dass der Dritte das Konto für die Abwicklung eigener Geldgeschäfte nutzt, finden bei einer Duldungsinanspruchnahme des Kontoinhabers nach § 3 AnfG die Grundsätze für eine Wissenszurechnung nach dem Rechtsgedanken des § 166 BGB entsprechende Anwendung. BFH, Urt. v. 23.08.2022 - VII R 21/21 Zu Leitsatz 1: Die vom BVerfG in seinem Beschluss vom 08.07.2021 (1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, BGBl I 2021, 4303) herausgearbeiteten Grundsätze, nach denen die Verzinsung nach §§ 233a, 238 AO in Höhe von 0,5 % pro Monat für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, lassen sich nicht auf Säumniszuschläge übertragen. Hinsichtlich der Säumniszuschläge fehlt es bereits [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 01.02.2023

Einordnung in Größenklassen gem. § 3 BpO 2000 ab 01.01.2024

Für die Einordnung in Größenklassen gem. § 3 BpO 2000 gelten ab 01.01.2024 die in der Anlage zu diesem BMF-Schreiben aufgeführten neuen Abgrenzungsmerkmale sowie die im BMF-Schreiben vom 20.04.2022 - IV A 8 - S 1451/19/10001 :001 (BStBl I 2022, 583) angefügte Zuordnungstabelle. Die Merkmale sind erst nach Aufstellung der Betriebskartei anzuwenden. BMF-Schreiben v. 15.12.2022 - IV A 8 - S 1450/19/10001 [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 25.01.2023

Kein Erlass von Nachzahlungszinsen wegen Verfassungswidrigkeit des Zinssatzes

NV: Ungeachtet der Frage, ob die Unrichtigkeit der Zinsfestsetzung im Hinblick auf die Höhe des Zinssatzes ab dem Verzinsungszeitraum 2014 offensichtlich gewesen wäre, kommt ein Erlass von Nachzahlungszinsen aus Billigkeitsgründen wegen Verfassungswidrigkeit des Zinssatzes für die Vollverzinsung für Verzinsungszeiträume von 2014 bis einschließlich 2018 nicht in Betracht. BFH, Urt. v. 27.07.2022 - X R 5/20, NV In diesem Streitfall hat der BFH entschieden, dass die Ablehnung des vom Kläger beantragten Teilerlasses der Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 2011 durch das Finanzamt keine Rechts- oder Ermessensfehler ausweist. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 08.07.2021 (1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, BVerfGE 158, 282) entschieden, dass der Zinssatz für die Vollverzinsung von 0,5 % Zinsen pro Monat des Zinslaufs (§§ 233a, 238 Abs. 1 Satz 1 AO) unter den sich seit dem Jahr 2008 fortlaufend verändernden tatsächlichen Verhältnissen noch für bis in das Jahr [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 25.01.2023

Geschäftsführerhaftung bei „Strohleuten“

Die Steuerpflichtige war als nominelle Geschäftsführerin und spätere Liquidatorin der T GmbH deren gesetzliche Vertreterin i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 AO. Inwieweit sie diese Aufgabe tatsächlich erfüllt hat, ist ebenso ohne Bedeutung wie der Umstand, dass ihr Ehemann tatsächlich die Geschäfte der T-GmbH geführt hat. Zudem kann sich niemand auf sein eigenes Unvermögen berufen, seinen Aufgaben als Geschäftsführer nachzukommen. Dass die Steuerpflichtige in der T-GmbH nicht tatsächlich die Geschäfte führte, sondern nur als Strohfrau fungierte, ändert an der objektiv vorliegenden Pflichtverletzung nichts. Denn die Verantwortlichkeit eines Geschäftsführers für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH ergibt sich allein aus der nominellen Bestellung zum Geschäftsführer. FG Münster, Urt. v. 12.08.2022 - 4 K 1469/20 U, Rev. eingelegt (Az. beim BFH: VII B 150/22) Die Klägerin war alleinige nominelle Geschäftsführerin der T-GmbH, übernahm aber keine [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 18.01.2023

Zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren

Entsteht ein Vorsteuerberichtigungsanspruch dadurch, dass das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt bestellt, liegt keine anfechtbare Rechtshandlung vor. Lohnsteuer ist nicht Teil eines Bargeschäfts i.S.d. § 142 InsO, wenn es weder zu einer zeitnahen Zahlung derselben noch zu einer zeitnahen Aufrechnung mit dieser gekommen ist. BFH, Urt. v. 03.08.2022 - XI R 44/20 Streitig ist, ob das Finanzamt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen einen Erstattungsanspruch der Masse mit anderen Steueransprüchen aufrechnen durfte. Der BFH konnte nicht abschließend entscheiden, ob die Gegenforderung, mit der das Finanzamt aufgerechnet hat, besteht. Für den zweiten Rechtsgang macht der BFH zahlreiche, rechtlich bindende Vorgaben, die sich an dem komplexen Sachverhalt [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 18.01.2023

Wirksame förmliche Zustellung während der Covid-19-Pandemie

Eine wirksame Ersatzzustellung durch Einlegen in einen Briefkasten (§ 180 ZPO) setzt voraus, dass zuvor ein erfolgloser Versuch der Ersatzzustellung in der Wohnung oder den Geschäftsräumen des Adressaten (§ 178 Abs. 1 Nr. 1, 2 ZPO) unternommen wurde. Allein aus den allgemeinen während der Covid-19-Pandemie geltenden Kontaktbeschränkungen kann nicht abgeleitet werden, dass in dieser Zeit eine Ersatzzustellung durch Einlegen in einen Briefkasten ohne vorherigen Versuch der Ersatzzustellung in der Wohnung oder den Geschäftsräumen als wirksam anzusehen wäre. BFH, Urt. v. 19.10.2022 - X R 14/21 Für förmliche Zustellungen - etwa von Gerichtsentscheidungen oder besonders wichtigen Verwaltungsakten - hat der Gesetzgeber ein klares Regelwerk aufgestellt (§§ 166 ff. ZPO). Wenn diese Regeln bei der Zustellung nicht beachtet werden, ist die Zustellung unwirksam. Eine "Heilung" des Mangels tritt erst in dem Zeitpunkt ein, in dem der Empfänger das Schriftstück tatsächlich in die [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 11.01.2023

Zur Zulässigkeit einer im Jahr 2022 per Telefax eingelegten Revision

Vorbereitende oder bestimmende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, sind ab dem 01.01.2022 als elektronisches Dokument zu übermitteln (§ 52d Satz 1 FGO). Gleiches gilt für die nach § 62 Abs. 2 FGO vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg i.S.d. § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht (§ 52d Satz 2 FGO). Berufsausübungsgesellschaften in Gestalt einer Steuerberatungsgesellschaft mbH, für die erst ab dem 01.01.2023 ein sicherer Übermittlungsweg in Gestalt des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) eingerichtet wird, sind nach § 52d Satz 2 FGO erst ab diesem Zeitpunkt verpflichtet, vorbereitende oder bestimmende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen unter Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs als elektronisches Dokument zu übermitteln. Eine nach § 52d Satz [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 11.01.2023

Sportliche Veranstaltungen als Zweckbetrieb nach § 67a Abs. 3 Satz 1 AO

Ist mangels ausreichender Aufzeichnungen nicht nachvollziehbar, inwieweit tatsächlich Aufwand bei den einzelnen Sportlern angefallen ist, und ist deshalb nicht überprüfbar, ob bei allen Sportlern die ihnen jeweils geleistete Zahlung nicht über eine Aufwandsentschädigung hinausgeht, schließt dies die Annahme eines Zweckbetriebs nach § 67a Abs. 3 Satz 1 AO aus. BFH, Beschl. v. 03.08.2022 - XI R 11/19 Der Kläger, ein eingetragener Verein, dessen erste Herrenmannschaft in der Oberliga spielt, verfolgt gemäß seiner Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der AO. Da der Kläger auf die Anwendung von § 67a Abs. 1 Satz 1 AO verzichtet hatte, konnte ein Zweckbetrieb nur nach § 67a Abs. 3 AO vorliegen, dessen Voraussetzungen nicht erfüllt waren. Sportliche Veranstaltungen eines Sportvereins sind unter den weiteren Voraussetzungen des § 67a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO ein Zweckbetrieb, wenn kein Sportler des Vereins teilnimmt, der für seine sportliche [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 11.01.2023

Erweiterung einer Anschlussprüfung

Die Erweiterung einer nach § 4 Abs. 3 Satz 3 BpO 2000 zulässigen ersten Anschlussprüfung von einem auf drei Jahre bedarf keiner besonderen Begründung. Für die gerichtliche Überprüfung von Ermessensentscheidungen sind auch bei Prüfungsanordnungen die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich. BFH, Beschl. v. 03.08.2022 - XI R 32/19 Die Rechtsprechung hat zur Frage der Zulässigkeit von Anschlussprüfungen folgende Grundsätze entwickelt: Anschlussprüfungen sind nach § 4 Abs. 3 Satz 3 BpO 2000 zulässig. Weder der AO noch der BpO 2000 ist zu entnehmen, dass Außenprüfungen nur in einem bestimmten Turnus oder mit zeitlichen Abständen erfolgen dürfen. Dies gilt nicht nur für Großbetriebe, sondern auch für Mittelbetriebe sowie Klein- und Kleinstbetriebe. Danach sind Anschlussprüfungen grundsätzlich zulässig; weitere Anschlussprüfungen sind nicht ausgeschlossen. § 4 Abs. 3 Satz 3 BpO 2000 lässt Anschlussprüfungen nicht [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 11.01.2023

Keine Darlegungspflicht für Ermessenserwägungen

Das IT-Verfahren „elektronisches Vollstreckungssystem“ (eVS) dient bei der Bearbeitung von Vollstreckungsfällen, insbesondere auch bei der Erstellung von Pfändungs- und Einziehungsverfügungen, lediglich als Hilfsmittel; es bedarf schon aufgrund seiner Programmierung bei der Erstellung von Pfändungs- und Einziehungsverfügungen stets entsprechender Entscheidungen des jeweiligen Sachbearbeiters. Die Klage eines Kreditinstituts als Drittschuldner gegen eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist grundsätzlich unzulässig, soweit sich das Kreditinstitut auf das Fehlen von Ermessenserwägungen im Verhältnis zur Vollstreckungsschuldnerin und auf die Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahmen im Hinblick auf einschneidende Folgen von Pfändungs- und Einziehungsverfügungen für den jeweiligen Schuldner beruft. FG Baden-Württemberg, Urt. v. 23.11.2021 - 11 K 1433/20, rkr. Die Klägerin ist ein Kreditinstitut. Im Jahr 2017 führte das Hauptzollamt aufgrund [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 11.01.2023

Maßnahmen zur Förderung der Hilfe für von der Corona-Krise Betroffene

Die Verwaltung hat die zahlreichen, in BMF-Schreiben getroffenen gemeinnützigkeits- und umsatzsteuerrechtlichen Maßnahmen zur Förderung der Hilfe für von der Corona-Krise Betroffene bis zum 31.12.2023 verlängert. Ausgenommen sind bestimmte umsatzsteuerliche Regelungen: Umsatzsteuerbefreiung für die Überlassungen von Sachmitteln und Räumen sowie von Arbeitnehmern, Umsatzsteuer bei unentgeltlicher Bereitstellung von medizinischem Bedarf und unentgeltlichen Personalgestellungen. Für die umsatzsteuerlichen Maßnahmen gilt das BMF-Schreiben vom 14.12.2021 (III C 2 - S 7030/20/10004 :004, BStBl I 2021, 2500) mit einer Befristung bis zum 31.12.2022. BMF-Schreiben v. 12.12.2022 - IV C 4 - S 2223/19/10003 [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 14.12.2022

Veröffentlichung und Anwendung der Richtsatzsammlung 2021

Die Verwaltung hat die Richtsatzsammlung für das Kalenderjahr 2021 bekanntgegeben (BMF-Schreiben v. 28.11.2022 - IV A 8 - S 1544/19/10001 :008). In einem Begleitschreiben weist die Verwaltung für die Anwendung der Richtsatzsammlung in Krisenzeiten auf Folgendes hin: Die Richtsatzsammlung ist ein Hilfsmittel für die Finanzverwaltung, um Umsätze und Gewinne der Gewerbetreibenden zu verproben und ggf. bei Fehlen anderer Unterlagen zu schätzen (§ 162 AO). Dabei ist zu bedenken, dass die in der Richtsatzsammlung genannten Rohgewinnsätze, Rohgewinnaufschlagsätze sowie Halb- und Reingewinne dazu dienen, individuelle Sachverhalte verallgemeinernd abbilden zu können. Unabdingbar ist daher, bei der Anwendung der Richtsätze stets auf die individuellen Verhältnisse der einzelnen zu prüfenden Betriebe einzugehen und diese zu berücksichtigen. So lautet Tz. 10.2.1 der Vorbemerkungen in der Richtsatzsammlung: "Bei der Schätzung nach Richtsätzen führt die Anwendung der Mittelsätze [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 07.12.2022

Aussetzung der Vollziehung eines Abrechnungsbescheids über Säumniszuschläge

Bei der im Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO gebotenen summarischen Prüfung bestehen ernstliche verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO, soweit diese nach dem 31.12.2018 entstanden sind (Anschluss an BFH, Beschl. v. 23.05.2022 - V B 4/22 (AdV), zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen, und v. 31.08.2021 - VII B 69/21 (AdV), n.v.). BFH, Beschl. v. 11.11.2022 - VIII B 64/22 (AdV) Das BVerfG hat zwar in seinem Beschluss in BVerfGE 158, 282 festgestellt, dass andere Verzinsungstatbestände der AO einer eigenständigen verfassungsrechtlichen Wertung bedürften (BVerfG, BVerfGE 158, 282, Rdnr. 241 f.). Sowohl der VII. Senat als auch der V. Senat des BFH haben jedoch auch im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge geäußert, soweit Säumniszuschlägen nicht die Funktion eines Druckmittels zukommt, sondern sie die [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 07.12.2022

Pfändung im Arrestverfahren - Unterbrechung der Verjährung einer Haftungsschuld

Die Verjährung eines Anspruchs kann nur dann nach § 231 AO unterbrochen werden, wenn die Verjährungsfrist bereits in Gang gesetzt worden ist und noch läuft. Daher unterbricht eine Pfändung, die vor Beginn der Verjährung (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO) vorgenommen worden ist, die Verjährung nicht. BFH, Urt. v. 23.08.2022 - VII R 46/20 Streitig war letztlich die Frage, ob die Verjährung einer Haftungsschuld auch dann durch eine Sachpfändung unterbrochen werden kann, wenn diese im Rahmen eines Arrestverfahrens bereits vor Fälligkeit der Haftungsschuld vorgenommen worden ist. Der BFH hat dies im Grundsatz verneint. Die Verjährung eines Anspruchs wird gem. § 231 Abs. 1 AO durch die dort genannten Maßnahmen unterbrochen, entweder punktuell oder aber gem. § 231 Abs. 2 AO für die dort bestimmte Dauer. "Unterbrochen" i.S.v. § 231 Abs. 1 AO bedeutet, dass der nach § 229 Abs. 1 Satz 1 AO in Gang gesetzte Fristenlauf abgebrochen wird und mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 30.11.2022

Keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge

Bei summarischer Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge (entgegen BFH, Beschl. v. 31.08.2021 - VII B 69/21 (AdV), und vom 23.05.2022 - V B 4/22 (AdV)). Aus unionsrechtlichen Grundsätzen (Äquivalenz-, Effizienz-, Verhältnismäßigkeits- und Neutralitätsprinzip) folgen ebenfalls keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge (Anschluss an BFH, Beschl. v. 23.05.2022 - V B 4/22 (AdV), Rdnr. 33 ff.). BFH, Beschl. v. 28.10.2022 - VI B 15/22 (AdV) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags entrichtet, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 € teilbaren Betrag. Der BFH hat keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge. Solche [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 30.11.2022

Steuerliche Maßnahmen zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten

Der andauernde Krieg in der Ukraine ist Anlass, den zeitlichen Anwendungsbereich der Verwaltungs- und Vollzugserleichterungen bis auf weiteres auf das Jahr 2023 zu erstrecken. Daher wird der zeitliche Anwendungsbereich des BMF-Schreibens vom 17.03.2022 (BStBl I 2022, 330) und dessen Ergänzung vom 07.06.2022 (BStBl I 2022, 923) über den 31.12.2022 hinaus auf alle Maßnahmen erweitert, die bis 31.12.2023 durchgeführt werden. Die genannten BMF-Schreiben betreffen folgende Maßnahmen: Spenden, Maßnahmen steuerbegünstigter Körperschaften, vorübergehende Unterbringung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine, steuerliche Behandlung von Zuwendungen aus dem Betriebsvermögen, Lohnsteuer, Aufsichtsratsvergütungen, Umsatzsteuer, Schenkungsteuer. BMF-Schreiben v. 17.11.2022 - IV 4 - S 2223/19/10003 [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 16.11.2022

Anwendungserlass zur Neuregelung der Vollverzinsung

Das BVerfG hatte bekanntlich entschieden, dass § 233a i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 ein Zinssatz von 0,5 % pro Monat zugrunde gelegt wird. Die Unvereinbarkeitserklärung erstreckt sich ausdrücklich nicht auf die anderen Verzinsungstatbestände nach der Abgabenordnung zu Lasten der Steuerpflichtigen, namentlich auf Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen nach den §§ 234, 235 und 237 AO. Die Entscheidung des BVerfG betrifft aber auch nicht die ausschließlich zugunsten der Steuerpflichtigen wirkenden Prozesszinsen nach § 236 AO und die Säumniszuschläge nach § 240 AO. Für Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 ist das bisherige Recht weiter anwendbar (Fortgeltungsanordnung). Für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019 wurde der Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31.07.2022 eine rückwirkende Neuregelung der Vollverzinsung zu treffen. Diese Neuregelung wurde [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 16.11.2022

Überweisung von Steuererstattungsbeträgen auf das Konto eines Dritten (Zahlungsanweisung)

Ebenso wie im bürgerlichen Recht mit Einwilligung des Berechtigten an einen Dritten zum Zweck der Erfüllung geleistet werden kann (§ 362 Abs. 2 BGB), sind auch im Rahmen des Steuerschuldverhältnisses Erstattungen an andere Personen zulässig, wenn der Steuerpflichtige eine entsprechende (schriftliche) Zahlungsanweisung (Zahlungsvollmacht) allgemein oder für den Einzelfall erteilt hat. Die Abtretung des Zahlungsanspruchs und die Anzeige der Abtretung nach § 46 AO sind hierfür nicht erforderlich. Schriftliche Zahlungsanweisungen zugunsten Dritter ohne förmliche Abtretung i.S.d. § 46 AO können daher grundsätzlich anerkannt und entsprechend berücksichtigt werden. Die Berücksichtigung einer Zahlungsanweisung zugunsten eines Dritten kommt jedoch nicht in Betracht, wenn nach den gegebenen Umständen davon auszugehen ist, dass sie der Umgehung des Schutzzwecks des § 46 Abs. 3 AO (die in § 46 Abs. 3 AO vorgeschriebene formalisierte Abtretungsanzeige soll insbesondere [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 16.11.2022

Zugang und Bekanntgabefiktion

Allgemeines Für die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts gilt die in § 122 Abs. 2 AO normierte Bekanntgabefiktion. Zur Nachweispflicht des Finanzamts bei Bestreiten des Zugangs ist zu unterscheiden, ob der Steuerpflichtige den Zugang generell bestreitet oder vorträgt, der Verwaltungsakt sei zu einem späteren Zeitpunkt i.S.d. § 122 Abs. 2 zweiter Halbsatz AO zugegangen. Bestreiten des Zugangs An das Bestreiten des Zugangs durch den Steuerpflichtigen werden keine hohen Anforderungen gestellt. Es genügt vorzutragen, den Bescheid nicht erhalten zu haben. Das Finanzamt trägt die volle Beweislast für den Zugang. Der Zugangsbeweis kann nicht durch Anschein, sondern nur durch Indizien geführt werden. Allgemeine Aussagen zu Erfahrungswerten zur bisher zuverlässigen Postzustellung reichen nicht aus. Für die Frage, ob der tatsächliche Zugang durch Indizien bewiesen werden kann, ist neben dem Postaufgabevermerk innerhalb des Finanzamts vor allem das Verhalten des Steuerpflichtigen nach [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 16.11.2022

Änderung von Steuerbescheiden bei Datenübermittlung durch Dritte

Anwendungsbereich § 175b AO ersetzt die im Grundsatz bislang in § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG verortete Änderungsvorschrift. § 175b Abs. 1 bis 3 AO ist erstmals anzuwenden, wenn steuerliche Daten i.S.d. § 93c AO für Besteuerungszeiträume nach 2016 oder Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2016 von einem Dritten elektronisch an die Finanzbehörden zu übermitteln sind. § 175b Abs. 4 AO ist erstmals anzuwenden, wenn Daten i.S.d. § 93c AO der Finanzbehörde nach dem 25.06.2017 zugehen. Tatbestandsvoraussetzungen § 93c AO enthält Verfahrensvorschriften für die elektronischen Datenübermittlungspflichten Dritter. Die eigentliche Übermittlungspflicht ergibt sich aus materiell-rechtlichen Vorschriften der Steuergesetze. Insbesondere folgende elektronisch zu übermittelnde Daten stellen Daten i.S.d. § 93c AO dar: Beiträge zur Basiskranken- und gesetzlichen Pflegeversicherung, einschließlich Mittelung öffentlicher Stellen über Zuschüsse zu Altersvorsorge-, Kranken- oder [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 09.11.2022

Aufrechnung im Insolvenzverfahren

Besteht für einen Vergütungsanspruch, den das Finanzamt für einen Besteuerungszeitraum nach Insolvenzeröffnung erstmals festsetzt, aufgrund der Rechtswidrigkeit dieser Steuerfestsetzung kein materieller Rechtsgrund, wird das Finanzamt diesen Vergütungsanspruch i.S.v. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO erst mit der Festsetzung und damit erst nach der Insolvenzeröffnung zur Masse schuldig. BFH, Urt. v. 22.06.2022 - XI R 46/20 Streitig war die Aufrechnungslage bei Insolvenz im Fall der Berücksichtigung eines Umsatzsteuer-Berichtigungsbetrags durch das Finanzamt in einem falschen Besteuerungszeitraum. Nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist eine Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Ob ein Insolvenzgläubiger vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens i.S.d. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist, bestimmt sich bei Erstattungs- oder [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 09.11.2022

Keine Klagebefugnis des Personengesellschafters bei Streit über Gesamthandsgewinn

NV: Besteht Streit über Grund oder Höhe des in einem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen festgestellten Gesamthandsgewinns einer Personengesellschaft, ist nur die Gesellschaft selbst klagebefugt. Eine Klagebefugnis des Gesellschafters ergibt sich nicht schon daraus, dass ihm der streitige Gewinn alleine zugerechnet wurde. BFH, Urt. v. 28.07.2022 - IV R 23/19 Streitig ist zwischen den Beteiligten die erfolgswirksame Auflösung einer Rücklage nach § 6b EStG sowie die Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft. Im Streitfall hat sich die Gesellschafterin mit ihrer Klage gegen die Feststellung des Gesamthandsgewinns der KG gewandt. Die zinswirksame Auflösung einer in der Gesamthandsbilanz gebildeten Rücklage nach § 6b EStG führte zu laufendem Gesamthandsgewinn und wurde im angegriffenen Gewinnfeststellungsbescheid auch als solcher festgestellt. Die Feststellung eines Ergänzungsbilanzgewinns, die in bestimmten Fällen auch dem [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 02.11.2022

Fristberechnung

NV: Der Umstand, dass der für den Beginn einer Frist maßgebliche Tag bei der Bemessung der Monatsfrist "nicht mitgerechnet" wird (§ 187 Abs. 1 BGB), bedeutet nicht, dass sich die Frist entsprechend verlängert. NV: Ein Fehler bei der Fristberechnung durch einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten ist regelmäßig als fahrlässig einzustufen und stellt ein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden dar. BFH, Beschl. v. 01.09.2022 - VI R 8/22, NV Vorliegend wurde das angefochtene Urteil des FG dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 28.02.2022 zugestellt. Die Frist zur Begründung der Revision begann somit gem. § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB mit Ablauf des 28.02.2022 (Montag) und endete nach § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 28.04.2022 (Donnerstag). § 188 Abs. 2 BGB bestimmt, dass eine nach Monaten bestimmte Frist im Fall des § 187 Abs. 1 BGB mit dem Ablauf desjenigen Tags des letzten Monats endet, der durch seine Zahl dem Tag [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 02.11.2022

Vorläufiger Rechtsschutz bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit einer Norm

NV: Bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrundeliegenden Norm setzt die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung voraus, dass ein besonderes Aussetzungs- bzw. Aufhebungsinteresse des Antragstellers besteht. NV: Fehlt das besondere Interesse an der Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Abrechnungsbescheids über die Entstehung von Säumniszuschlägen, kann offenbleiben, ob ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen bestehen. BFH, Beschl. v. 20.09.2022 - II B 3/22 (AdV), NV Bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrundeliegenden Norm setzt die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung wegen des Geltungsanspruchs jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes zusätzlich voraus, dass ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht, dem der Vorrang [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 02.11.2022

Beginn der Festsetzungsfrist

Ein durch letztwillige Verfügung eingesetzter Erbe erlangt i.S.d. § 170 Abs. 5 Nr. 1 AO Kenntnis von dem Erwerb, wenn er zuverlässig von den Umständen seines Erwerbs erfahren hat, so dass von ihm erwartet werden kann, zu handeln. Maßgeblicher Zeitpunkt, zu dem der im Testament ausgewiesene Alleinerbe sichere Kenntnis von seiner Einsetzung hat, ist erst der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, mit der die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung festgestellt wird, wenn bis dahin aufgrund objektiv erkennbarer Umstände ernstliche Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments bestanden und die Stellung als Alleinerbe davon abhing, dass das beim Nachlassgericht eingereichte und nach seinem Wortlaut eindeutige Testament als wirksam bestätigt wurde. FG Düsseldorf, Urt. v. 29.06.2022 - 4 K 896/20 Erb, Rev. eingelegt (Az. beim BFH: II R 28/22) Der Kläger und seine Schwester waren gesetzliche Erben der 1988 verstorbenen Erblasserin. Die Erbschaftsteuer wurde im Jahr 1994 [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 28.10.2022

Zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) bei elektronischen Aufzeichnungssystemen

Durch das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22.12.2016 (BGBl I 2016, 3152) ist § 146a AO eingeführt worden, wonach seit dem 01.01.2020 die Pflicht besteht, dass jedes eingesetzte elektronische Aufzeichnungssystem i.S.d. § 146a Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 1 Satz 1 KassenSichV sowie die damit zu führenden digitalen Aufzeichnungen durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) zu schützen sind. Am 08.07.2022 hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik veröffentlicht, dass die Zertifizierung der Version 1 der TSE der Firma cv cryptovision GmbH mit Ablauf des 07.01.2023 ausläuft. Damit ist ab diesem Zeitpunkt diese TSE keine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung i.S.d. § 146a Abs. 1 Satz 1 AO. Der Austausch der nicht mehr zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung ist umgehend durchzuführen, und die rechtlichen Voraussetzungen sind unverzüglich zu erfüllen. Obwohl die TSE ab dem [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 28.10.2022

Ergänzung der Anlage 1 der Mitteilungsverordnung (MV)

Anlage 1 des BMF-Schreibens zur Anwendung der Mitteilungsverordnung enthält bundeseinheitlich abgestimmte Ausnahmen von der Mitteilungspflicht. Diese Anlage wird um Zahlungen an Strafgefangene nach § 43 StVollzG oder vergleichbare landesrechtliche Regelungen ergänzt, sofern diese Zahlungen einen Betrag von 10.000 € pro Kalenderjahr nicht übersteigen. BMF-Schreiben v. 10.10.2022 - IV A 3 - S 0229/22/10002 [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 19.10.2022

Keine Prozesszinsen nach Aufhebung der Vollziehung

Ein Anspruch auf Prozesszinsen nach § 236 AO besteht nicht für den Zeitraum, in dem während eines Klageverfahrens die Vollziehung des Steuerbescheids aufgehoben wurde und die Finanzbehörde daraufhin den Steuerbetrag an den Steuerpflichtigen zurückgezahlt hat. BFH, Urt. v. 14.05.2022 - VII R 34/19 Wird durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder aufgrund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt, so ist gem. § 236 Abs. 1 Satz 1 AO der zu erstattende oder zu vergütende Betrag vorbehaltlich § 236 Abs. 3 AO vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen. Ist der zu erstattende Betrag erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit entrichtet worden, so beginnt die Verzinsung gem. § 236 Abs. 1 Satz 2 AO mit dem Tag der Zahlung. Zusammenfassend ergibt sich aus den Materialien zur Entstehungsgeschichte und Entwicklung des § 236 AO, dass der Gesetzgeber von Anfang an die Verzinsung auf gezahlte [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 19.10.2022

Festsetzungsverjährung bei Antragsveranlagung

Stellt ein Steuerpflichtiger, der zur Einreichung einer Steuererklärung gesetzlich verpflichtet ist, vor Ablauf der Festsetzungsfrist bei dem für ihn zuständigen Finanzamt einen Antrag, kommt diesem die Rechtswirkung des § 171 Abs. 3 AO nur dann zu, wenn er Angaben macht, deren Erklärungswert über die Ankündigung einer Steuererklärung mit einem bestimmten Gesamtbetrag der Einkünfte hinausgeht. FG Nürnberg, Urt. v. 17.09.2021 - 7 K 313/19, rkr. Der Kläger war beim betreffenden Finanzamt nicht einkommensteuerlich erfasst. Am 29.12.2017 ging beim Finanzamt seine Steuererklärung für das Jahr 2010 ein. Hierin erklärte er Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit und sonstige Einkünfte i.H.v. 600 € aus der Vermietung eines Wohnmobils. Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit machte er hohe Werbungskosten geltend, die zu einer Steuererstattung geführt hätten. Der Kläger stellte zudem schriftlich einen Antrag auf Steuerfestsetzung nach § 171 Abs. 3 AO. Das [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 19.10.2022

Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung

In Ergänzung des AEAO zu § 366 gilt Folgendes: Das Datum der Einspruchsentscheidung soll mit dem Tag übereinstimmen, an dem die für den Empfänger bestimmte Ausfertigung zur Post gegeben wird. Das Datum der abschließenden Zeichnung der Einspruchsentscheidung ist zweckmäßigerweise in der Urschrift neben dem Namenszeichen des zeichnungsbefugten Sachgebietsleiters oder Sachbearbeiters zu vermerken. Für den Tag der Postaufgabe ist das Finanzamt im Wege des sog. Vollbeweises beweispflichtig. Ein Abstellen auf den typischen Geschehensablauf innerhalb des Finanzamts reicht somit nicht aus. Nach Nr. 1.8.2.1 AEAO zu § 122 ist der Tag der Aufgabe zur Post in geeigneter Weise festzuhalten. Eine Dokumentation der Poststelle, wann der Verwaltungsakt das Finanzamt verlassen hat, genügt diesen Anforderungen. Wird die Zustellung einer Einspruchsentscheidung an einen Steuerberater, einen Rechtsanwalt usw. angeordnet, ist nach § 3 VwZG (Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde) [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 12.10.2022

Zulässigkeit einer Prüfungsanordnung gem. § 193 Abs. 1 AO gegenüber den Erben des verstorbenen Unternehmers

NV: Nach dem Zweck des § 193 Abs. 1 AO muss es die Möglichkeit geben, die steuerlichen Verhältnisse früherer Unternehmer auch dann zu prüfen, wenn sie ihren Betrieb veräußert oder aufgegeben haben; das Gleiche gilt beim Tod des Unternehmers. NV: Die Rechtmäßigkeit einer Außenprüfung bei den Gesamtrechtsnachfolgern ist nicht davon abhängig, ob und ggf. in welcher Höhe Steuernachforderungen aus einer früheren Außenprüfung streitig sind. NV: Die Zulässigkeit einer Außenprüfung bei den Erben hängt nicht vom Gegenstand sowie der (voraussichtlichen) Intensität und Komplexität der Prüfung ab. BFH, Beschl. v. 15.06.2022 - X B 87/21 (AdV), NV Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung kann nach dem Wortlaut des § 193 Abs. 1 AO die Außenprüfung zwar nur bei Steuerpflichtigen durchgeführt werden, die noch zum Zeitpunkt der Prüfung einen gewerblichen oder landwirtschaftlichen Betrieb unterhalten oder freiberuflich tätig sind. Das entspricht aber nicht dem [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 12.10.2022

Berücksichtigung der gestiegenen Energiekosten als Folge des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine

Das BMF hat im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder ein BMF-Schreiben erlassen, nach dem die Finanzämter die ihnen gesetzlich zur Verfügung stehenden Handlungsspielräume im Interesse der erheblich betroffenen Steuerpflichtigen nutzen sollen. Ohne strenge Nachweispflichten sollen im Einzelfall auf Antrag fällige Steuern gestundet, Vorauszahlungen zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer angepasst sowie Vollstreckungsaufschub gewährt werden. Im Einzelnen gilt Folgendes: In jedem Einzelfall ist unter Würdigung der entscheidungserheblichen Tatsachen nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, inwieweit ggf. die Voraussetzungen für eine steuerliche Billigkeitsmaßnahme erfüllt sind. Die Finanzämter schöpfen den ihnen hierbei zur Verfügung stehenden Ermessensspielraum verantwortungsvoll aus. Bei der Nachprüfung der Voraussetzungen sind bei bis zum 31.03.2023 eingehenden Anträgen keine strengen Anforderungen zu stellen. Über Anträge auf [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 05.10.2022

Unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch einen Flankenschutzprüfer

Die unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch einen Beamten der Steuerfahndung als sog. Flankenschutzprüfer zur Überprüfung der Angaben des Steuerpflichtigen zu einem häuslichen Arbeitszimmer im Besteuerungsverfahren ist wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz rechtswidrig, wenn der Steuerpflichtige bei der Aufklärung des Sachverhalts mitwirkt. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige der Ortsbesichtigung zustimmt und deshalb kein schwerer Grundrechtseingriff in Art. 13 Abs. 1 GG vorliegt. BFH, Urt. v. 12.07.2022 - VIII R 8/19 Eine selbständig tätige Unternehmensberaterin machte in ihrer Einkommensteuererklärung erstmals Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer geltend. Auf Nachfrage des Finanzamts reichte sie eine Skizze der Wohnung ein, die der Sachbearbeiter des Finanzamts aber für klärungsbedürftig hielt. Er bat den Flankenschutzprüfer um Besichtigung der Wohnung. Dieser erschien unangekündigt an der Wohnungstür der [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 05.10.2022

Risiko der durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 ausgelösten Erkrankung an COVID-19 und Terminsverlegung

NV: Ein Attest, das lediglich ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 ausgelösten Erkrankung an COVID-19 ausweist, stellt (noch) keinen erheblichen Grund für eine Terminsverlegung dar; es bedarf konkreter und überprüfbarer Anhaltspunkte für eine solche Gefährdung des Beteiligten. NV: Auch im Fall einer durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 ausgelösten andauernden Erkrankung an COVID-19 ist ein berufsmäßiger Vertreter verpflichtet, Vorsorge für die Terminswahrnehmung zu treffen, ggf. durch Bestellung von (Unter-)Bevollmächtigten bzw. im Fall einer Steuerberatungsgesellschaft durch Wahrnehmung des Termins durch andere vertretungsberechtigte Angehörige dieser Gesellschaft. BFH, Beschl. v. 09.06.2022 - X B 35-36/21, NV Der BFH hat im Streitfall das Vorgehen des FG, die mündliche Verhandlung trotz Abwesenheit des Klägers und seiner Prozessbevollmächtigten durchzuführen, mit folgenden Erwägungen als verfahrensfehlerfrei [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 05.10.2022

Zeitpunkt des Eingangs eines über das besondere Anwaltspostfach übermittelten Schriftsatzes

NV: Der von einem Rechtsanwalt über das besondere Anwaltspostfach (beA) gem. § 52d, § 52a Abs. 1, 2 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO in elektronischer Form übermittelte Schriftsatz - vorliegend die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde - geht dann bei Gericht ein, wenn er auf dem für das Gericht eingerichteten Server im Netzwerk für das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach gespeichert ist (vgl. § 52a Abs. 5 Satz 1 FGO; Anschluss an BGH, Urt. v. 11.05.2021 - VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201, Rdnr. 18). BFH, Beschl. v. 25.05.2022 - X B 158/21, NV § 52a Abs. 5 Satz 1 FGO bestimmt, dass ein elektronisches Dokument eingegangen ist, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Nach der zur insoweit gleichlautenden Vorschrift des § 130a Abs. 5 Satz 1 ZPO ergangenen Rechtsprechung des BGH liegt ein Eingang vor, wenn das Dokument auf dem für das Gericht eingerichteten Empfängerintermediär im Netzwerk für das elektronische [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 28.09.2022

Akteneinsicht in Gerichtsakte und Verwaltungsakte

NV: Der Begriff der "Prozessakten" i.S.v. § 78 Abs. 2 und Abs. 3 FGO umfasst nicht nur die Gerichtsakte, sondern auch die dem Gericht vorgelegten Verwaltungsakten. BFH, Beschl. v. 14.07.2022 - IV B 66/21, NV Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war die Art und Weise der Akteneinsicht in die in Papierform geführten 66 Band Akten, die dem FG zu dem Klageverfahren vorgelegt wurden. Die Klägerin möchte, dass diese Akten zum Abruf bereitgestellt werden, hilfsweise, dass ihr gestattet wird, diese Akten nach vorherigem Entklammern und Entheften selbst zu scannen und zu speichern, weiter hilfsweise, dass die Akten in die Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten übersandt werden. Der BFH hat alle Anträge abgelehnt. Die dem FG vorgelegten Akten mussten der Klägerin nicht zum Abruf bereitgestellt werden. Soweit Prozessakten noch in Papierform geführt werden, ist die Akteneinsicht in Diensträumen die Regel (§ 78 Abs. 3 Satz 1 FGO). Nach der Ermessensvorschrift des § 78 Abs. 3 Satz 2 FGO [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 28.09.2022

Umfang eines Akteneinsichtsanspruchs

NV: Ein Anspruch auf Akteneinsicht in die Verwaltungsakte besteht auch dann, wenn nach dem Wissen des FG diese Akte ausschließlich aus Dokumenten besteht, die der Antragsteller bereits kennt. BFH, Beschl. v. 30.05.2022 - II B 55/21, NV Die Klägerin beantragte bei dem Beklagten unter Berufung auf Art. 15 Abs. 1 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) Auskunft über die bei dem Beklagten über sie gespeicherten Daten sowie Aushändigung der Daten elektronisch oder in Papierform. Der Beklagte erteilte eine Negativauskunft. Es verarbeite keine die Klägerin betreffenden Daten. Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, diese Auskunft sei bewusst wahrheitswidrig. Der Beklagte habe sich in einem Sachverhaltskomplex berichten lassen, der auch sie, die Klägerin, betreffe. Sie beantragte u.a., die Akten des Beklagten zuzuziehen, die sonstigen Akten beizuziehen, wie in der Folge und im weiteren Verfahren benannt, und nach Zuziehung von Akten - ggf. jeweils - Akteneinsicht zu gewähren. [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 21.09.2022

Restschuldbefreiung und Steuerstraftaten

Die Tatsachen, aus denen sich nach Einschätzung des Gläubigers ergibt, dass der bereits zur Insolvenztabelle festgestellten Forderung eine Steuerstraftat des Schuldners zugrunde liegt, können gem. § 177 Abs. 1 InsO nachträglich angemeldet werden. Das Finanzamt darf durch Feststellungsbescheid gem. § 251 Abs. 3 AO feststellen, dass ein Steuerpflichtiger im Zusammenhang mit Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt worden ist, wenn der Schuldner diesem Umstand isoliert widersprochen hat (Bestätigung von BFH, Urt. v. 07.08.2018 - VII R 24, 25/17, BStBl II 2019, 19, Rdnr. 16). BFH, Urt. v. 28.06.2022 - VII R 23/21 Das Finanzamt hatte im Streitfall beantragt, die Insolvenztabelle dahingehend zu ergänzen, dass es sich bei den Abgabenforderungen um Forderungen aus einer Steuerstraftat nach § 370 AO handele, für die gem. § 302 Nr. 1 InsO die Restschuldbefreiung ausgeschlossen sei (Attribut). Der Kläger legte nach [...]
Verfahrensrecht Aktuell vom 21.09.2022

Unzulässigkeit einer im Jahr 2022 lediglich per Telefax erhobenen Anhörungsrüge

Die Erhebung einer Anhörungsrüge durch einen Rechtsanwalt ist ab dem 01.01.2022 unzulässig, wenn sie nicht als elektronisches Dokument in der Form des § 52a FGO an den BFH übermittelt wird. Der Verstoß gegen § 52d FGO führt zur Unwirksamkeit des Antrags. Er gilt als nicht vorgenommen. BFH, Beschl. v. 23.08.2022 - VIII S 3/22 Seit dem 01.01.2022 sind Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte grundsätzlich verpflichtet, Schriftsätze sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen ausschließlich elektronisch an die Justiz zu übermitteln. Im Streitfall hatte ein Rechtsanwalt, der sich in eigener Sache als Rügeführer vertrat, am 21.02.2022 per Telefax eine Anhörungsrüge erhoben (§ 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 133a Abs. 2 FGO). Ein Telefax ist aber kein elektronisches Dokument i.S.d. §§ 52a, 52d FGO. Unter diesen Begriff fällt eine Datei, die mit Mitteln der Datenverarbeitung erstellt wurde, auf einem Datenträger aufgezeichnet werden kann und (bereits) in [...]